"F1 2019" ist, man mags kaum glauben, ein Formel 1-Rennspiel.
Aber in welche Kategorie fällt es? Arcade, Simulation? Das ist stets schwer zu beurteilen und stets auch subjektiv. Ich würde den Titel in die Kategorie Simcade einordnen (gutes Handling aber auch etwa eine Rückspulfunktion). Offenbar rühren auch genau daher, daß das Game sich zwischen den Stühlen verorten läßt, einige Negativ-Bewertungen. Den Einen ist der Titel zu schwer respektive sie sind überfordert ihr Eingabegerät richtig einzustellen, den Anderen ist er zu wenig Simulation, zu einfach, zu sehr Spiel. Ich finde gerade diese Zwischenposition für ein Formel 1-Spiel angenehm und unterhaltsam. Denn auch die Formel 1 selber ist eine Kombination aus höchster Präzision und oft oberflächlicher Unterhaltung.
Für mich bei Renntiteln stets das Wichtigste: das Handling. Und das ist wie im Vorgänger stark. Die Lenkung ist direkt, der Bolide bricht gerne aus, wenn man ihn nicht sanft behandelt und Wettereffekte oder nachlassende Reifen sind deutlich spürbar. Das Force Feedback ist klar und responsiv. In Bezug auf Realismus kommt es zwar nicht an die Assetto Corsas oder Automobilistas dieser Welt heran, aber das Fahrgefühl vermittelt stets ein Mittendringefühl und Fahrfehler sind auch wirklich auf die Schwächen des Users zurückzuführen.
Sein Eingabegerät (bei mir G27) einzurichten ist auch nicht komplizierter als bei Simulationstiteln. Einmal eingestellt funktioniert alles bestens.
Die manchmal kritisierte KI ist meiner Ansicht nach sogar überdurchschnittlich gut. Sie hält sich nur schlichtweg an das Regelwerk. Wenn sie das Recht an der Kurve hat, bleibt sie auch auf ihrer Linie. Wer da einfach rüberzieht, die Linie kreuzt und dann behauptet, die KI ist mir hinten rein gefahren, hat gelinde gesagt wenig Ahnung von Rennsport oder/und ist KI aus Arcade-Titeln gewohnt, die einfach wegspringt, wenn man kommt. Ich fahre gern die volle Rennlänge (also etwa 1,5 Stunden) und habe in der Regel nicht ein einziges Mal Feindkontakt. Denn auch beim Überrunden verhalten sich die Gegner recht realistisch und berechenbar. Man sollte nur immer wissen, wo sich die Gegner befinden, aber das ist auch in der Realität stets äußerst hilfreich und bewahrt einen vor so manchem Ausfall.
Das Balancing der Strecken ist gut, wenn es auch je nach Strecke bei Standard-Setup nach wie vor schwankende Schwierigkeit bereitet, das Tempo der Gegner mitzugehen. Allerdings natürlich nicht in Bezug auf die Stärkeverteilung im Feld. Da fährt Mercedes - wie in der Realität - allen davon und ein Sauber ist chancenlos. Wer das langweilig findet, dem sei gesagt, daß das nicht an dem Titel, sondern an der prinzipiellen Struktur der Formel 1 liegt.
Der Karrieremodus ist diesmal nochmal umfangreicher ausgefallen. Die Forschungs- und Entwicklungsmöglichkeiten sind jetzt etwas ausgewogener und tiefgehender. Es gibt reichlich Upgrades, die man durch Punkte freischalten kann. Diese bekommt man durch gute Ergebnisse in Qualifying und Rennen und durch Erfüllen fahrerischer Aufgaben im Training, die einen sinnvoll mit der Strecke und deren Besonderheiten vertraut machen. Neu ist, daß man die Trainingsaufgaben auch überspringen kann und trotzdem Forschungspunkte gewinnt, allerdings nie so viele wie man bekommen könnte, wenn man selber das Lenkrad übernimmt.
Neu hinzugekommen - und damit die umfangreichste Neuerung gegenüber dem Vorgänger - ist die Formel 2, die man auch in die Karriere integrieren kann. Das ist auf der einen Seite - mit einer Story und Cutscenes - eine tolle Erweiterung, auf der anderen Seite enttäuscht es, daß man in der Karriere nur drei Eventsituationen und nicht die gesamte Formel 2 Saison fahren darf und daß die Inszenierung fast peinlich klischeehaft und unbeholfen ausgefallen ist.
Auch die Fahrbarkeit der F2-Boliden wirkt im Vergleich zu ihren großen Kollegen deutlich unkomplexer und auch unangenehmer. Mir ging es so, daß ich einmal in die Formel 2-Karriere reingeschaut habe und dann doch wieder schnell die klassische Karriere gestartet habe.
Daß man die Kontrolle bei der Boxeneinfahrt abgibt ist man von der Serie ja leider gewohnt, wobei die meisten Titel das nicht hinkriegen. Immerhin: "F1 2019" hat eine voll animierte Boxencrew und ein recht komplexes Wettersystem.
Die Einstellmöglichkeiten des Boliden sind durchaus umfangreich, wenn sie auch nicht an richtige Simulationstitel heranreichen. Während des Fahrens einstellen läßt sich die Benzinmischung und die Bremsbalance und das ERS (Energierückgewinnungssystem, praktisch ein zusätzlicher E-Motor). Das ERS kann man auch auf automatisch stellen, für richtig gute Rundenzeiten empfielt sich aber der manuelle Betrieb. Das führt dazu, daß man mit ERS, DRS und Benzinmischung jetzt während einer Runde richtig viel umzustellen und zu schalten hat, neben der Aufgabe den Boliden auf der Strecke zu halten, versteht sich. Die Funksprüche der Box sind manchmal interessant, hin und wieder aber auch unpassend.
Auch die Präsentation hat sich sowohl vor als auch nach den Rennen verbessert, wobei man keine Unterhaltungswunder erwarten sollte. Die Interviews sind ganz nett und die eigenen Antworten haben sogar Auswirkungen auf die Motivation der einzelnen Entwicklungsabteilungen. Nach ein paar Rennen hat man allerdings schon alle Fragen gehört und das Antworten wird zur Pflichtübung. Aber das ist wahrscheinlich in der Realität nicht soviel anders. Mit im Paket sind natürlich alle Lizenzen, alle Strecken und alle Teams.
Die fahrbaren historischen Boliden sind eine nette Dreingabe. Fahrphysikalisch sind sie aber eher simplifiziert denn komplex simuliert.
Ziemlich peinlich sind die neu hinzugekommenen kosmetischen Mini-DLCs für den Multiplayer. Sehr schade, daß die Serie auf diesen Zug aufspringt. Aber zumindest muß man sich keines der Reskins zulegen. Und das sollte man auch definitiv nicht.
Mir macht der Titel vor allem im Single-Player mit voller Renn- und Qualifying Länge und ohne Fahrhilfen eine Menge Spaß. Die Entwicklung eines Rennens erweist sich dabei als realitätsnah. Mal hat man in den letzten Runden heftige Fights, mal fährt man 30 Runden praktisch alleine für sich hin und versucht vor allem, Reifen zu schonen. Gerade diese - auch strategischen Aspekte - finde ich gelungen und spannend.
Die Grafik und der Sound sind wiedereinmal stark, wenn man auch der Engine so langsam die Jahre anmerkt. Die Ausleuchtung wurde nochmal überarbeitet, was vor allem bei Nachtrennen auffällig wird. Dankenswerterweise kann man bei der Cockpitansicht einen Teil des HALO, die im Blickfeld befindliche Mittelstrebe, die in der Realität dadurch nicht stört, daß der Fahrer dreidimensional wahrnimmt, ausschalten.
Wertung:
9/10 Atmosphäre
9/10 Grafik
8/10 Sound
9/10 Handling
8/10 Force-Feedback
9/10 Balancing
9/10 Spielspaß
Fazit:
Bisheriger Höhepunkt der Reihe.
9/10 Gesamtwertung
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Force Feedback.
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KI.
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Sehr realistisch.
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Lenkung.
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Fahrbarkeit unkomplexer.